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23.03.2015

In lieu of a Review: Berardi - Heroes: Mass Murder and Suicide

"I saw the agony of capitalism and the dismantling of social civilization from a very peculiar point of view: crime and suicide. The naked reality of capitalism is today on display. And it's horrible."
Einer der weniger aufmunternden Titel, die ich in jüngerer Zeit gelesen hab, ist Berardis "Heroes: Mass Murder and Suicide" aus Versos Futures-Reihe. Was Berardi hier unternimmt ist, die aktuelle Konfiguration des Kapitalismus, welche er als "Semio-Kapitalismus" bezeichnet, aus der bedrückenden Perspektive der aktuell voranschreitenden Epidemie geistiger Ungesundheit zu analysieren, genauer gesagt, anhand der Extremfälle von Massenmorden + Suiziden. Die These, in a nutshell, ist, dass der aktiv betriebene Nihilismus (die gewollte Zerstörung von tatsächlichen Werten) des aktuellen Finanzkapitalismus, der stärker noch als zuvor, alles Beständige verdampfen lässt, sich in katastrophaler Weise auf die psychische Gesundheit seiner Opfer niederschlägt. Das ganze belegt Berardi anhand mehrerer in gleichen Teilen verstörenden und interessanten case studies.

Aber darüber möchte ich heute nicht schreiben. Was mir an diesem Buch aufstößt ist sein fatalistisches Ende. Angesichts der katastrophalen Situation der Gegenwart besteht Berardis Tipp für uns, das Motto "Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst" zu ergreifen. Ironisch sollten wir werden. Hier haben wir es wieder, Flucht und detachment, neben zögerlicher Reform anscheinend die einzigen Strategien, welche die linke Intelligentsia noch so in ihrem Arsenal hat. Es ist vermutlich wirklich so, dass wir in Fukuyamas "End of History" leben und es ab jetzt bloß noch Kapitalismus ohne Ende, oder wahlweise auch Planet Erde ohne Menschheit, gibt.
"So what can be done when nothing can be done? I think that ironic autonomy is the answer. I mean the contrary of participation, I mean the contrary of responsibility, I mean the contrary of faith. Politicians call on us to take part in their political concerns, economists call on us to be responsible, to work more, to go shopping, to stimulate the market. Priests call on us to have faith. If you follow these inveiglements to participate, to be responsible - you are trapped. Do not take part in the game, do not expect any solution from politics, do not be attached to things, do not hope."
Jemand muss mal die Geschichte defibrillieren. Es kann doch nicht sein, dass sich linke Theorie darin begnügt die Apokalypse zu beklagen und Tipps für das individuelle Überleben derselben zu liefern.

P.S.: Ein kurioser Zufall vielleicht. Ich lass neulich erst ein Interview eines weiteren post-operaistischen Denkers, der ebenfalls alles andere als hoffnungsvoll klang. Vielleicht kann uns der deleuzoguattarische Marxismus einfach nicht mehr als Waffe, sondern bloß noch als Analyse-Tool mit garantiert deprimierenden Ergebnissen dienen?

P.P.S.: Bis auf das nicht wirklich überzeugende finale Kapitel ist das Büchlein allerdings ziemlich spannend und lesenswert, wenn man sich von der etwas düsteren Thematik nicht abschrecken lässt.

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