Es ist jetzt gut eine Woche her, seit ich mit Jaron Laniers "Wem gehört die Zukunft?" fertig bin und somit genug Zeit vergangen in der sich meine ersten Eindrücke festigen konnten. Was in meinen Augen an Laniers Buch am wertvollsten ist, neben seinem Mut überhaupt alternative Lösungsvorschläge zu bringen (wenn auch imo keine besonders guten, geschweige denn überzeugenden), ist seine laientaugliche Darstellung der Problematik, die die zunehmende Informatisierung unserer Wirtschaft mit sich bringt. Diese will ich dann hier auch kurz zusammenfassen.
Beim Begriff "Informatisierung der Wirtschaft" ist erstmal festzuhalten, was dieser Begriff nicht meint. Wenn von der wirtschaftlichen Wichtigkeit von Information geredet wird, wird oft verwechselt, dass es sich hier nicht (in erster Linie) um den Aufstieg eines neuen Wirtschaftssektors handelt, der die bisherigen drei ablöst, sondern, dass die Informatisierung ein Prozess ist, der alle Wirtschaftssektoren verändert, bis hin zum Agrarsektor. (So besteht das Studium der Agrarwissenschaften heute schon aus dem Lernen der Verarbeitung einer Vielzahl von Informationen (Preis, Wetter, etc.)). Ein Löwenanteil dieser Informationen werden in kollektiver und unvergüteter, immaterieller Arbeit produziert. Hierum kreist die Problematik.
Das Internet, nach außen hin scheinbar dem Slogan "Information wants to be free" folgend, basiert größtenteils auf einem Geschäftsmodell, welches dem User kostenlose Dienstleistungen anbietet (Übersetzung von Texten, Vertrieb von Musik, Produktempfehlungen, Preisvergleiche etc.) und im Ausgleich dazu die usergenerierten Information sammelt und auf unterschiedlichste Weise monetarisiert (z.B. durch gezielte Schaltung von Werbung). Lanier spricht von "Siren Servers", welche die User zur Preisgabe verführen, gleich den Sirenen in Homers Odyssee. Der praktische Effekt, so Lanier, ist das Absterben der Mittelschicht, eben dadurch, dass bisherige Wirtschaftszweige quasi überflüssig gemacht werden, bzw. dazu verdammt werden die wirtschaftlichen Risiken zu tragen, während die Siren Server risikofrei den Gewinn einstreichen (in ähnlicher Weise lagern auch Finanzmärkte ihre Risiken aus).
So kann ich beispielsweise, Internet sei Dank, eine immer größere Menge an Musik gratis hören (z.B. via Spotify oder Youtube), untergrabe damit aber die Musikindustrie, der ich hierdurch dass Geld vorenthalte, dass ich früher einmal für den Musikgenuß hätte bezahlen müssen. Die Musikindustrie darbt nun und macht es neuen Künstlern immer schwieriger Fuß in ihr zu fassen. Derweil verdient sich Spotify dumm und dämlich. Ebenso kann ich mir jedes Buch der Welt gratis herunterladen, schmälere aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verlag später einmal das Risiko auf sich nimmt, mich jungen, unbekannten Autoren in sein Repertoire aufzunehmen. So entsteht ein race to the bottom, mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. Also Capitalism as usual.
Jeder links gebildete Leser erkennt unschwer, dass es sich hierbei um einen der berühmt berüchtigten systematischen Widersprüche des Kapitalismus handelt (Lanier gehört nicht zu diesen, hält all dies für eine kontingente Abweichung vom geschmeidigen Ablauf des "echten Kapitalismus", wie er nur in Platos Ideenwelt existiert), hervorgerufen dadurch, dass die immaterielle Arbeit nicht angemessen, bzw. garnicht, vergütet wird. Laniers Lösungsvorschlag setzt an eben diesem Punkt an, und besteht darin, das Motto "Information wants to be free" über Bord zu werfen und die immaterielle Arbeit zu entlohnen, was zu einem Wiederauferstehen der lang vermissten Mittelschicht und der Stabilisierung der Wirtschaft führen würde. Es geht also wiedereinmal darum den Kapitalismus vor seiner eigenen inhärenten Logik zu retten.
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